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Öl gegen Arbeitsplätze

Im Süden Tunesiens rumort es. Seit Wochen fordert eine große Prostestbewegung, an den Einnahmen aus der Ölförderung in der Region beteiligt zu werden. Nun kam es erstmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.  Um nach Kamour zu gelangen, geht es die Landstraße Richtung libyscher Grenze entlang. Die Ortschaften haben hier pragmatische Namen. In „Brunnen Dreißig“, einem Weiler mit…

Im Süden Tunesiens rumort es. Seit Wochen fordert eine große Prostestbewegung, an den Einnahmen aus der Ölförderung in der Region beteiligt zu werden. Nun kam es erstmals zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. 

Um nach Kamour zu gelangen, geht es die Landstraße Richtung libyscher Grenze entlang. Die Ortschaften haben hier pragmatische Namen. In „Brunnen Dreißig“, einem Weiler mit einem Dutzend Häuser, säumen ungefähr genauso viele informelle Wechselstuben aus Wellblech den Straßenrand, in friedlicher Koexistenz mit dem Posten der Nationalgarde am Ortseingang. Die letzten Kilometer führt eine holprige Piste mit Sandverwehungen durch die Wüstenlandschaft. Kamour selbst besteht aus einer Anlage des staatlichen Stromversorgers und einer Pumpstation der Öl-Pipeline, die sich durch die Wüste zieht.

Dort, mitten im Nirgendwo zwischen der libyschen und der algerischen Grenze, rund 120 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Tataouine, hat seit Mitte April eine Gruppe Demonstranten ihre Zelte aufgeschlagen. Jedes Dorf, jeder Stadtteil hat ein Zelt, und jedes Zelt schickt einen Vertreter in den Koordinationsrat, der die Anliegen der Protestbewegung vertritt. Mehr als 1000 Personen leben zeitweise dort. Ihre Forderungen: Arbeitsplätze vor allem bei den Firmen, die in der Region Öl und Gas fördern, und mehr Entwicklungsgelder. Denn meistens sind es Offshore-Firmen, die in dem Gebiet zwar Öl fördern, aber dort keine Steuern zahlen. Sie sind der einzige größere Arbeitgeber in der Gegend, wo rund die Hälfte der Universitätsabgänger arbeitslos ist.

„Wir lassen nicht locker“

Mohammed wischt sich mit seinem grünen T-Shirt den Schweiß aus dem sonnenverbrannten Gesicht. „Ich bin 34 Jahre alt, habe in Libyen gearbeitet.“ Als dort 2011 der Krieg ausbrach, kam er nach Tunesien zurück. „Ich habe nichts. Nicht geheiratet, kein Haus gebaut, nichts.“ Er zuckt hilflos mit den Schultern. „Selbst um mal mit seiner Verlobten auszugehen gibt es nichts. Wir können nirgendwohin.“ Auch die Wüste, wo er und seine Mitstreiter jetzt ausharren, ist eigentlich Sperrgebiet und nur mit Erlaubnis der Behörden zu betreten. Arbeitslosigkeit, keine Zukunftsperspektiven, Frust – die Situation in Tunesiens flächenmäßig größtem Gouvernorat Tataouine ist ähnlich wie anderswo im verarmten Landesinneren, das seit 2011 darauf wartet, die Früchte der Revolution zu ernten. Doch in Tataouine liegen die Öl- und Gasvorkommen Tunesiens, die von zumeist ausländischen Firmen mit wenig transparenten Verträgen gefördert werden.

Mitte Mai hatte Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi angekündigt, dass das Militär in Zukunft die Förderanlagen des Landes schützen solle, denn Öl, Gas und Phosphat sind einige der wichtigsten Einnahmequellen der Region und die Demonstranten dem Staatschef ein Dorn im Auge. Doch das Verteidigungsministerium stellte schnell klar: Anlagen schützen ja, aber Proteste auflösen sei nicht Aufgabe des Militärs. Und so existierten in Kamour beide Welten mehrere Wochen lang relativ friedlich nebeneinander: die Bewohner des Sit-ins, meist jüngere Männer, zweigen beim Militär den Strom ab, das nächstgelegene öffentliche Krankenhaus hat ein Tag und Nacht besetztes Sanitätszelt eingerichtet, und Verwandte und Unterstützer aus den umliegenden Ortschaften schicken regelmäßig Lebensmittel vorbei. „Wir lassen nicht locker“ lautet das Motto der Demonstranten, das in Tunesien inzwischen zum geflügelten Wort geworden ist. mehr